pdf2017 12 12 IHK Magazin carpastrechNot macht erfinderisch

DIE ACHERN - INDIEN CONNECTION

Auf Dieter Heyls Schreibtisch steht eine kleine Statue mit Elefantenkopf: Ganesha. Die hinduistische Gottheit steht unter anderem für Erfolg und Glück, auch in neuen Unternehmungen. Die Tradition hat sich Heyl von seiner Zeit in Asien bewahrt, wo er als Angestellter in der Qualitätssicherung eines großen Autobauers tätig war. Körperlich sah es für ihn persönlich aber nicht so aus, als wäre Ganesha ihm gnädig. Er bekam starke Beschwerden in der Hand, seine Finger wurden regelmäßig taub, nachts muss er ständig aufstehen, um sie zu massieren. Die Diagnose des Betriebsarztes: „Karpaltunnelsyndrom. Sofort operieren!“ Das Leiden ist inzwischen als Berufskrankheit anerkannt. 90 % der Fälle werden in Deutschland letztendlich operativ behandelt. Doch Heyl gibt sich mit dieser Lösung nicht zufrieden. Bei der Recherche findet er heraus, dass das Karpaltunnelsyndrom nicht überall auf der Welt chirurgisch behandelt wird. Es gibt Wege, das Band, welches auf den Nerv drückt, zu dehnen. Der studierte Maschinenbauer ist Tüftler und leidenschaftlicher Heimwerker. Er vertieft sich in die Thematik und entwickelt eine Bandage, die die Bänder und Sehnen dehnt. Die Idee für CarpaStretch war geboren. Im Interview spricht er über wichtige Schritte zum Erfolg.

 

Sie haben Ihre Beschwerden eigenständig kuriert. Wann wurde daraus die Idee, ein Unternehmen zu gründen?
Dieter Heyl: Ein guter Freund aus Indien fragte mich während eines Besuchs, wie es meiner Hand ginge. Ich sagte ihm, dass die Beschwerden so gut wie weg seien und erzählte von meiner Lösung. Er hakte nach und wollte wissen, wie das Produkt funktioniert. Ich habe es ihm aufgezeichnet und detailliert erklärt. Am nächsten Tag kam er direkt mit internationalen Statistiken zum Karpaltunnelsyndrom und sagt zu mir: Das solltest du patentieren lassen.

Wie haben Sie reagiert?
Ich habe gesagt: ‚Quatsch!’ Aber dann habe ich mir die Unterlagen angesehen und zwei Tage nachdem ich wieder in Deutschland war, habe ich das Patent eingereicht. Heute bin ich froh darüber.

Sie waren lange in der Autoindustrie. Mit 55 Jahren betraten Sie aber Neuland. Sie gründeten.
Als Werkleiter für Daimler in Malaysia war ich für das gesamte Werk verantwortlich. Aber es gibt immer einen Stab von Leuten für Buchhaltung, Finanzen und Technik. Als Selbständiger mit Low-Budget bist du auf dich gestellt – du musst dich in jede Aufgabe selbst einarbeiten. Externe Hilfe ist da Gold wert. Und die habe ich in verschiedener Form von der IHK bekommen. Zum Beispiel zu den Themen Gründung und Außenhandel.

Stichwort Internationales: Wie haben Sie Themen wie die Ausfuhr von Waren, Zollbestimmungen bewältigt?
Das ging schrittweise. Wir haben einfach losgelegt. Unsere ersten Sendungen waren schon fertig gepackt, als wir merkten, dass wir eine Zollnummer brauchen. Um diese zu bekommen, brauchten wir erstmal eine Handelsregisternummer. Und dafür mussten wir die GmbH eintragen. Was die Zollnummer betrifft, war Frau Weinhold von der IHK eine große Hilfe für uns. Eigentlich hätte der Prozess mehrere Wochen gedauert, aber durch ihre Tipps klappte alles in wenigen Tagen.

Als klassischer Maschinenbauer sind Sie eher fremd im medizinischen Bereich.
Wie gelang es Ihnen, Ärzte und Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen?
Unsere ersten Marketingmaßnahmen waren ehrlich gesagt ein Schuss in den Ofen. Ich habe 1000 Briefe an Orthopäden verschickt – persönlich unterschrieben. Gerade mal 40 kamen zurück, 20 davon negativ. Von der IHK bekamen wir den Tipp, uns für die A+A in Düsseldorf zu bewerben – eine internationale Fachmesse für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Erst waren wir skeptisch, wegen der hohen Kosten und weil wir im Unterschied zu vielen High-Tech Unternehmen ziemlich klein sind. Doch wir wurden ausgewählt. Die IHK verwies uns zusätzlich auf die Chance, über die Gründerszene Fördermittel zu beantragen. Das haben wir getan – mit Erfolg. Letztlich wurden über 60 Prozent der Messekosten übernommen.

Haben Sie einen positiven Effekt gespürt?
Der Messebesuch war ein echter Türöffner. Unser Stand lief unter dem Dach des Bundeswirtschaftsministeriums unter dem Motto: „Innovation made in Germany“. Jetzt haben wir Firmenkontakte zu großen Unternehmen aus der Automobil- und Elektroindustrie. Wenn wir Glück haben, finanziert demnächst eine BKK (Betriebskrankenkasse) einen Großversuch.“

Auf welche Hürden sind Sie gestoßen?
Ich habe zu Beginn meiner Gründungstätigkeit bei deutschen Universitätskliniken gefragt, ob sie eine Studie zur Wirksamkeit der Bandage durchführen können. Aber das war finanziell unmöglich für uns. Da kam wieder mein Kontakt in Indien ins Spiel. Er vermittelte uns an ein indisches Forschungsinstitut, das die Wirksamkeitsstudie durchführte – nach WHO Standard. Eine medizinische Neuerung muss sowohl in Indien als auch in Deutschland durch eine Ethikkommission geprüft werden. Das kostete ebenfalls Zeit und Nerven. Nachdem einige Ärzte überzeugt waren, ging es langsam aufwärts. Über Mund-zu-Mund Propaganda hat sich in einem kleinen Kreis von Neurologen die Nachricht verbreitet, dass CarpaStretch bei Patienten mit Karpaltunnelsyndrom erstaunliche Ergebnisse erzielt – und das ohne OP.

Import und Export bringen vielfältige Hürden mit sich. Wie informieren sie sich?
Ich bin seit der Gründung immer in engem Kontakt mit der IHK. Ein wichtiges Thema für die Ausfuhr von Waren ist die CE Zertifizierung. Da gibt es extrem viele Details, die man beachten muss. Ich habe einen ganzen Ordner voll. Um den Überblick zu behalten, gibt es hilfreiche Seminare bei der IHK in Freiburg. Die kann ich jedem Gründer ans Herz legen.

 

Quelle: www.ihk.de